Wettbewerb um Chancenanteile vs. Wettbewerb um Marktanteile

Die Digitalisierung hat einen massiven Einfluss auf den klassischen Branchenwettbewerb. Auch das „Internet der Dinge“ verändert und beschleunigt diesen klassischen Branchenwettbewerb weiter. Zusätzlich hat die Digitalisierung auch massive Auswirkungen auf die Branchenstrukturen und auf die Rentabilität einer Branche.

Klassischer Wettbewerb in der Branche – der Wettbewerb um Marktanteile

Im klassischen Wettbewerb konzentrieren sich die Unternehmen insbesondere auf die bekannten Wettbewerber der Branche im Wettbewerbsvergleich:

  • Die meist bekannten Wettbewerber der eigenen Branche werden analysiert.
  • Best Practice in den relevanten Bereichen wird identifiziert und ganz oder in Teilen kopiert.
  • Es geht um Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens gegenüber den Branchenwettbewerbern.
  • Im Mittelpunkt des klassischen Branchenwettbewerbs steht ein Wettbewerb um Marktanteile.

Auch Innovationen sind in diesem klassischen Wettbewerb um Marktanteile von herausragender Bedeutung. Im Mittelpunkt stehen hierbei die bekannten Produkt-/Dienstleistungs-, die Prozess- und die operativen Geschäftsmodellinnovationen. Wir sprechen in diesem Fall von sogenannten eindimensionalen Innovationen, die in der Regel getrennt und nacheinander in den Unternehmen angestoßen werden.

 Hyperwettbewerb in der Branche und in der Wettbewerbsarena – der Wettbewerb um Chancenanteile

In den letzten Jahren hat eine zunehmende Dynamisierung des Wettbewerbs stattgefunden. Ein wesentlicher Treiber war und ist die Digitalisierung von Produkten und Prozessen. Dadurch ändert sich aber auch zunehmend der Wettbewerb selbst:

  • Der Hyperwettbewerb in der Branche wird zunehmend von Kunden- und Produkt-Ökosystemen geprägt, bei denen vernetzte smarte Produkte und vernetzte smarte Dienstleistung im Mittelpunkt stehen.
  • Zudem wird der Branchenwettbewerb durch einen Wettbewerb in Wettbewerbsarenen ergänzt oder ersetzt. Die klassischen Branchengrenzen lösen sich zunehmend auf. Unternehmen verschiedener Branchen treten immer öfter miteinander in einen direkten Wettbewerb um Kunden.
  • Kundenerwartungen werden zunehmend von einer Branche auf eine andere Branche übertragen. So zeigen bspw. Analysen, dass der vergleichsweise kurze Release-Wechsel von durchschnittlich zwölf Monaten in der Consumer Electronic (z. B. Smartphones) zunehmend Auswirkungen auf andere Branchen hat. Dieser Kundenanspruch aus der Konsumelektronik scheint somit z.B. auch zunehmend die Erwartungshaltung der Kunden auf dem Automobilmarkt mit zu bestimmen. Diese Entwicklung wird noch mehr zunehmen, je mehr sich die Produkte im Sinne von smarten Produkten in einer Wettbewerbsarena miteinander verzahnen.
  • Damit verliert der klassische Wettbewerbsvorteil zwar nicht an Bedeutung, die zeitliche Nutzung eines Wettbewerbsvorteils wird jedoch deutlich reduziert. Unternehmen müssen sich in der Konsequenz zunehmend auf den Wettbewerb um Opportunitäten konzentrieren, um kontinuierlich neue zeitlich befristete Wettbewerbsvorteile zu generieren. Das bezeichnen wir als den Wettbewerb um Chancenanteile.

 Wettbewerb um Chancenanteile – Konsequenzen für das Unternehmensmanagement

In einem zunehmend dynamischen Wettbewerb wird der klassische Branchenwettbewerb zunehmend durch einen dynamischen Branchenwettbewerb und eine branchenübergreifenden Hyperwettbewerb in Wettbewerbsarenen ergänzt und ersetzt. Damit muss ein Unternehmen zunehmend häufiger und zunehmend schneller neue zeitlich befristete Wettbewerbsvorteile generieren. Das wird deutliche Veränderungen mit sich bringen:

  • Im klassischen Wettbewerb konzentriert sich das Management häufig nur auf die Marktanteile als wesentlichen Erfolgsmaßstab für den Unternehmenserfolg. Der Marktanteil gilt dann häufig als Ausdruck für eine gelungene strategische Positionierung im Markt und als Ergebnis für eine gelungene strategische Differenzierung zum Wettbewerb.
  • Der Marktanteilswettbewerb hat eine wesentliche Bedeutung für Ergebnis und Liquidität eines (etablierten) Unternehmens und darf deshalb nicht vernachlässigt werden.
  • Für den Hyperwettbewerb muss der bekannte Fokus auf den Wettbewerb um Marktanteile durch einen Fokus auf den Wettbewerb um Chancenanteile ergänzt werden.
  • Der Wettbewerb um Chancenanteile darf nicht mit dem klassischen Innovationswettbewerb gleichgesetzt werden. Im klassischen Innovationswettbewerb stehen eindimensionale Innovationen im Mittelpunkt; im zukünftigen Wettbewerb um Chancenanteile wird es zunehmend um multidimensionale Innovationen (z.B. Lean Startup) gehen.
  • In der Konsequenz werden Unternehmen dann auch den strategischen Managementprozess und auch den klassischen Innovationsprozess verändern müssen. Zunehmend wird sich auch die Frage nach der Rolle eines Chief Business Innovation Manager stellen.

Im neuen Chancenanteilswettbewerb müssen Unternehmen somit zunehmend in der Lage sein, multidimensionale Innovationen hervorzubringen. Zusätzlich wird es im Hyperwettbewerb aber auch immer mehr um die Gestaltung von zukunftsfähigen Organisationsstrukturen gehen. Die klassischen hierarchischen Organisationsmodelle sind in stabilen und planbaren Märkten und damit für den klassischen Marktanteilswettbewerb durchaus vorteilhaft. Hier bieten Spezialisierung und Effizienz eine klare organisatorische Wettbewerbsdifferenzierung. Dies gilt aber nicht mehr für den Chancenanteilswettbewerb. Ein sichtbares Zeichen für die zunehmenden Probleme hierarchischer Organisationsmodelle zeigt sich in der zunehmenden Herausbildung von Schattenorganisationen innerhalb klassischer Organisationsmodelle.

 

… Fortsetzung folgt …

Zur Vertiefung sei das Buch zum Thema „Business Innovation Management“ empfohlen, welches voraussichtlich im September bei Springer Gabler veröffentlicht wird. Ergänzende Überlegungen finden sich auch bei Eckert, Business Model Prototyping, Springer Gabler 2014 und in diversen weiteren Veröffentlichungen